Jugendliche müssen den Umgang mit sexuellen Darstellungen im Internet lernen. Können Eltern da überhaupt noch was tun? Was heisst hier Verstehen, Fördern, Konfrontieren, Regulieren?

Hand aufs Herz: Vielen Eltern fällt schon „das Aufklären“ schwer. Ist der Nachwuchs erst in der Pubertät, scheinen die Hürden noch höher. „Solche Themen“ mit den Eltern zu besprechen ist viel zu peinlich. Und über Pornographie sprechen erst recht. „Darüber will ich mit dir nicht sprechen!“ Jedoch: Eigentlich geht es jetzt erst so richtig los und der Einfluss von Eltern ist nach wie vor wichtig. Auch wegen der „Sexualitätsbezogenen Internetrisiken“.

Verantwortung vs. Einvernehmlichkeit

Das beim Elternabend für die Oberstufen besprochene Konzept von „Verstehen – Fördern – Konfrontieren – Regulieren“ kann auch in diesem Themenbereich Einfluss genommen werden. Dabei ist ständig abzuwägen, wie weit wir als Eltern eben auch Verantwortung wahrnehmen müssen. Tatsächlich haben wir als „Erziehungsberechtigte“ eben auch Pflichten. So ist es wohl angezeigt, Kinder und Jugendliche in Ergänzung zur Schule über die rechtlichen Rahmenbedingungen zu informieren. Wenn wir merken, dass sich ein exzessiver Pornokunsum einstellt, so haben wir die Pflicht, mit den Jugendlichen nach Auswegen zu suchen.
Auf der anderen Seite soll auch das Recht auf Privatsphäre gewahrt werden. Auch hier ist eine gewisse „Einvernehmlichtkeit“ anzustreben. Wenn es um reine Information geht, so ist diese nicht immer vollumfänglich herstellbar. Sie kann aber immer wieder gesucht werden.
Diese Gratwanderung kann nicht mit einer einfachen Regel aufgelöst werden. Es muss von Situation zu Situation entschieden werden, welcher Aspekt hier Vorrang hat. Nichts desto Trotz: Eltern haben auch hier Handlungsmöglichkeiten.

Verstehen

Es gibt nichts was Jugendliche mehr hassen als wenn Mama oder Papa mit einer verpannten Mine daherkommen und sagen, man müsse da mal über etwas reden. Die Situation der Jugendlichen zu verstehen kann zu unserer Entspannung beitragen. Hier ein unvollständige Liste von Ideen, die zum besseren Verständnis der Jugend beitragen können:

  • Erinnern Sie sich, wie auch Sie oder Ihre Kollegen früher am Thema interessiert waren. Mit grossen Augen schauten die Jungs auf die Unterwäscheseiten in den Modekatalogen. Die Mädchen guckten auf die Beule in den Badehosen der Jungs. Die Altpapiersammlung war für viele eine „Sexheftchensammlung“. Im Ernst: Für einige ging das schon im Primarschulalter los.
  • Als Eltern müssen wir uns auch die Enttabuisierung des Themas vergegenwärtigen. Wissenschaft, Wirtschaft und Medien haben für eine alltägliche Präsenz des Themas gesorgt. Denken Sie dazu an die Werbung für den Adventskalender von Amorana. Jeden Tag ein Sextoy für die Vorfreude.
  • Auch im Fachdiskurs wird heute davon ausgegangen: Pornographie gehört für eine Mehrheit zum Alltag. Auch ein drittel der Erwachsenen macht Sexting.
  • Und: Mit der Pubertät kommt das Interesse für Sexualität, Geschlechterrollen, etc. Jugendliche „müssen“ sich damit befassen. Sie können nicht anders. Und Auseinandersetzung geschieht eben auch mit der Betrachtung von sexuellen Darstellungen, Filmen und Texten. In diesem Zusammenhang wird ja auch davon gesprochen, dass Jugendliche oder junge Erwachsene Pornokompetenz entwickeln müssen.
  • Wenn Sie sich selbst an diese Zeit erinnern möchten: Schauen sie alte Serien oder Filme welche diese Lebensphase gut darstellen. Wie wäre es mit dem Spielfilm „LOL“ – die französische Version ist zu empfehlen. Auch „JUNO“ oder „Fucking Amal“ sind zu empfehlen.


Fördern

Wer etwas entspannter an die Sache rangeht, kann auf Netflix „Sex Education“ schauen …. Und der oder die Jugendliche setzt sich vielleicht dazu. Was dann nicht gleich heissen muss, dass innert 5 Minuten eine Reflexion des gesehenen stattfinden muss. Aber: Sie setzten ein Zeichen für einen unverkrampften Umgang mit dem Thema Medien und Sexualität. Sie zeigen an, dass man sich damit auseinandersetzen darf. Und sie zeigen auf, dass es dazu auch unterschiedlichste Wege gibt. Hier ebenfalls eine unvollständige Liste an Möglichkeiten zur Förderung:

  • Achten Sie bei Kindersicherungen darauf, dass die Aufklärungsseiten nicht gesperrt sind. Folgende Informationsangebote gehören auf eine WhiteList: www.feel-ok.ch, www.tschau.ch www.lilli.ch, www.sex-i.ch (Verschiedene Sprachen)
  • Achten Sie darauf, dass zuhause aber auch Bücher zur Aufklärung verfügbar sind. Seriöse Informationen zur Sexualität helfen, das in Pornos gesehene kritischer zu hinterfragen.
  • Vielleicht können Sie den Jugendlichen auch empfehlen, die neuen Informationskanäle auf Instagram anzuzapfen. Hier sind sehr seriöse und breite Kanäle anzutreffen: www.instagram.com/maedelsabende/, www.instagram.com/aufklo/
  • Auch YouTube hat beliebte und informative Kanäle bereit. Schauen sie selbst mal bei „61 Minuten Sex“ rein. Vielleicht können Sie so ein Video mal mit dem Sohn oder der Tochter schauen. www.youtube.com/user/61MinutenSex


Konfrontieren und Regulieren

Bei einem Grossteil der Jugendlichen verläuft die Entwicklung hin zu einem gelingenden Umgang mit der Themenverbindung „Internet und Sexualität“ relativ unspektakulär. Dennoch: Als Eltern gibt es Situationen die der Konfrontation bedürfen. Reagieren sollten sie bei folgenden Beobachtungen:

  • Der oder die Jugendliche verwendet plötzlich eine Vulgärsprache die auf extreme Inspirationen aus dem Netz oder der Gruppe von Gleichaltrigen hinweist. Vulgärsprache ist oft sexistisch. Als Eltern müssen wir auf diesen Umstand hinweisen, diesen gar verurteilen. Somit geben wir den Kindern Orientierung.
  • Irgendwie gehören Geschlechterstereotypen und das Aussehen eben auch in den Bereich von Medien und Sexualität. Wenn Sie die Vermutung haben, dass das Internet einen negativen Einfluss hat, versuchen Sie das Thema anzusprechen. Auch wenn die Jugendlichen die Möglichkeiten von Photoshop kennen, so muss man doch darüber sprechen, um diese als negativ zu integrieren. Auch hierzu gibt es unterhaltsame Instagram-Kanäle: www.instagram.com/celestebarber/
  • Wenn über Äusserungen klar wird, dass in Chats pornographische Inhalte herumgeschickt werden, so sollten Sie umgehend darauf hinweisen, dass man sich damit strafbar macht. Sowohl die ungewünschte Zustellung wie auch die Zustellung an unter 16-jährige ist ein Straftatbestand.
  • Den Jugendlichen muss erklärt werden, dass auch wegen der Handy-Kontrolle bei einem Kollegen alles auffliegen kann. Da es bei der Übermittlung von Pornographie um ein Offizialdelikt geht, erfolgt die Strafverfolgung ohne einen Antrag durch eine Privatperson.
  • Wenn Sie feststellen, dass ihr Junge Nächte lang keinen Schlaf findet und auch die Geräusche aus dem Zimmer sowie die harten Papiertaschentücher auf einen exzessiven Pornokonsum hinweisen, so ist auch hier eine Konfrontation angezeigt. Der Pornographiekonsum als solches muss nicht verurteilt werden. In diesem Falle soll es um die „Dosis“ gehen. Wenn sich das Verhalten über das Gespräch nicht verändern lässt, so ist über eine nächtliche Internet- oder Gerätekontrolle nachzudenken. Einfach zum Schutz vor Abhängigkeit.
  • Im Sinne einer Regulation ist bei jungen Erwachsenen darüber nachzudenken, was safer Sexting heissen könnte. Wenn ihr Kind zu den 20 bis 30% gehört die Sexting betreiben, so sollte dies wenigstens „Safer“ geschehen. Grundregeln dazu: 1.) Es bedarf der Einvernehmlichkeit. 2.) Sexting muss immer gegenseitig sein. 3.) Eher diskrete Bilder und Filme verwenden. Man muss nicht gleich alles zeigen. 4.) Anonyme Bilder verwenden: Man muss ja nicht gleich in die Kamera lachen oder das persönliche Tattoo zeigen. 5.) Sexting nur mit Menschen die du schon live getroffen hast.


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