Kinder und Jugendliche kommen bezüglich Mediennutzung und Medienregeln aus unterschiedlichsten Familien. Zudem sind nicht alle Kinder gleich gestrickt. Medienerziehung darf dies berücksichtigen.
„Houston, we have a Problem“ würde ich bei unseren Elternabenden manchmal gerne rufen. Die anwesenden Mütter und Väter erwarten klare Ansagen, griffige Regeln und eine Haltung, die nach Möglichkeit ihrer eigenen entspricht. In der hintersten Reihe sitzen einige, die würden gerne hören, dass sich das mit den Medien schon geben wird. Irgendwo in der Mitte sitzen ein paar, die finden, man müsse das Handy bis zur Oberstufe verbieten. Und in der vordersten Reihe sitzt ein Vater, der gerne hören würde, dass man den Kindern eben Coden (Programmieren) beibringen müsse. Medienbildung ist alles! „Houston, we have a Problem“.
Wandel innert 10 Jahren
Tatsächlich ist das mit den Hinweisen und Tipps zur Medienerziehung in der Familie immer anspruchsvoller geworden. Vereinfacht gesagt: „Früher hatten Eltern grundsätzlich wenig Ahnung. Sie wollten einfach ein paar Tipps zur Begleitung ihrer Jugendlichen in Sachen MSN oder Facebook. Eltern waren verunsichert aber vorbildlich, Kinder und Jugendliche dagegen schutzbedürftig.“
„Disparitäten“
Wenn Eltern zusammenkommen, so bringen sie die unterschiedlichsten Ausgangslagen mit ein. Eine Bestandsaufnahme lohnt sich:
- Wie sieht die sinnvolle Mediennutzung aus? Da die Kinder digitale Medien immer früher nutzen dürfen, muss man auch genauer hinschauen: Wie alt sind die Kinder denn genau? Für Zweitklässler gilt Anderes als für Kinder im 5. Schuljahr. Sinnvolle Mediennutzung lässt sich also nicht in einem einzigen Bild beschreiben.
- Auch wenn es grosse Themen gibt, die praktisch bei allen Kindern und Jugendlichen irgendwann kommen, so sind die Kinder in ihrer Art doch sehr verschieden. Logisch, dass Eltern mit exzessiv nutzenden Kindern andere Herausforderungen haben als jene mit Kindern, die im Moment lieber gar nichts mit digitalen Medien zu tun haben.
- Die Medienausstattung in den Familien ist auch äusserst unterschiedlich. Bei den einen haben Mami und Papi ein Handy, es gibt noch ein Familien-Tablet und ein PC. Das wars. Bei anderen sind vielleicht schon alle mit allem ausgestattet, inklusive Smart-TV im Kinderzimmer.
- Ergo: Während die einen Eltern dem Kind schon lange ein Handy überlassen haben, stehen die anderen erst vor diesem Schritt. Die Fragen zur Medienerziehung fallen entsprechend sehr unterschiedlich aus.
- Schliesslich haben sich in den letzten Jahren unterschiedlichste „Medien-Familientypen“ herausgebildet. Verunsicherte Eltern haben andere Bedarfe als Eltern, die Ihre Kinder aktiv an die Informatik heranführen möchten.
Kann man profitieren?
Solche Unterschiede können schnell als bedrohlich wahrgenommen werden. „Sowas gäbe es bei uns nie!“ „Ich muss schauen, dass mein Kind nie dort spielen geht!“
Die eigene Haltung ist wichtig und man muss auch nicht alles tolerieren. Interesse und offenes Nachfragen kann aber gewinnbringend sein.
Beim Austausch im Rahmen von Elternabenden machen Mütter und Väter zuweilen sehr schöne Erfahrungen. Es gibt praktisch keine Familie in der die Mediennutzung nicht ein Dauerbrenner ist. Diese Ehrlichkeit versöhnt. So kann ich offener fragen: „Ja wie macht ihr den das?“ „Ist es nicht gefährlich wenn die Kinder das dürfen?“ „Ja wie kriegt ihr euer Kind denn vom Bildschirm weg?“ Eltern können voneinander profitieren. Andere Mütter und Väter haben andere Erfahrungen. Sie können neue Tipps geben.
Fazit
Mit Blick auf die grossen Unterschiede bezüglich Alter, Entwicklungsstand, Ausrüstung und Familiensituation wird es mit „allgemeingültigen Regeln“ zur Mediennutzung immer schwieriger. Um der Situation gerecht zu werden, müssen Regeln in der Familie allenfalls auch angepasst werden. Dazu können folgende Fragen hilfreich sein:
- Wo steht mein Kind aktuell? Was braucht es wirklich?
- Wo stehe ich? Was kann ich geben? Bin ich ein Vorbild?
- Welchen Schutz braucht das Kind bei der Mediennutzung?
- Welche Förderung braucht das Kind?
Mit solchen Fragen können Mütter und Väter das Kind über die Jahre bis über die Pubertät hinaus angemessen fordern und fördern. Egal ob es nun zu früh auf Instagram oder Snapchat will. Egal ob es aufs Gamen steht oder lieber Bücher liest.