Im Rahmen der SBD Weiterbildungsveranstaltung 2015 wurde über die Gewin- nung und Bindung der Zielgruppe Jugend nachgedacht. Als Weiterführung des Themas geht die Tagung 2016 der Frage nach, wie bei Jugendlichen Neugierde für die Bibliothek und Wunsch nach mehr Wissen geweckt werden kann. Inwieweit können digitale Medien eine Rolle spielen?

Das Ziel ist klar: Jugendliche sollen über den systematischen Einsatz digitaler Medien für den Bibliotheksbesuch geworben werden. Die Neugierde an einer Auseinandersetzung oder auch einfach Beschäftigung mit Medien soll geweckt werden. Idealerweise finden sie in der Bibliothek einen neuen Ort, wo dies geschehen kann.

Damit dies gelingen kann, bedarf es vorgängig einer offenen Auseinandersetzung mit dem aktuellen „Medienhandeln“ Jugendlicher. Verantwortliche Bibliothekarinnen müssen hingehen und nach der aktuellen Bedeutung von digitalen Medien für Jugendliche fragen. Alleine über Fachartikel können Sie das nicht bestreiten. Es bedarf der Begegnung, der Praxis und der Offenheit für eine neue Sichtweise.

 

Was Jugendliche mit digitalen Medien tun

Natürlich gibt es Studien die erklären, wie Jugendliche ausgerüstet sind und wie sie die Medien nutzen. In der Schweiz ist die JAMES Studie besonders bekannt. Sie gibt sicher einiges her über Ausrüstung und Nutzung. Leider nicht mehr im Netz ist die JAMES-Fokus Studie, welche das Medienhandeln Jugendlicher clustert und Typen bildet. Es ist jedoch auch festzuhalten, dass Jugendliche bei einer offenen Befragung ohnehin andere Typen bilden würden. Eine Befragung von Kantonsschülern hat beispielsweise gezeigt, dass sich 40% der Schüler für „kommunikationsorientierte“ Mediennutzer halten. 25% der Kantischüler gehen unter Gamer. Lediglich 20% der Gymnasiasten halten sich für Leseratten, die noch Bücher nutzen.

 

Sich etwas zeigen lassen

Wenn man solche Werte mal zur Kenntnis genommen hat, so ist klar, dass wir uns immer wieder in die Medienwelt der Jugendlichen begeben müssen. Das einfachste ist, wenn man sich dieses und jenes zeigen lässt:

  • Wie funktioniert Instagram?
  • Warum ist Instagram so wichtig?
  • Warum nutzen heute so viele Snapchat?
  • Warum ist das pixelige Minecraft so toll?
  • Warum ist GTA immer noch so attraktiv?
  • Warum macht Lernen mit Youtube mehr Spass als Lernen mit Büchern?
  • Gibt es Lern-Video-Plattformen im Netz?
  • etc.

 

Verständnis als Voraussetzung

Dieses sich zeigen lassen verlangt viel Offenheit und den Willen, das jugendspezifische Medienverhalten verstehen zu wollen. Dabei kann es hilfreich sein, dass viele Phänomene früher einfach in einer anderen Form vorkamen. Ein Beispiel: Instagram ist eben nicht einfach nur ein bedenkliches Selfie- und Föteli-Netzwerk, das bestenfalls oberflächliche Mediennutzung zulässt. Instagram befriedigt ein paar Bedürfnisse, die früher auch wichtig waren. Es kann also gut sein zu überlegen, wie wir früher unsere Bedürfnisse befriedigen konnten: Die eigene Identität musste schon früher entwickelt werden und schon früher haben wir Medien dazu genutzt. Wir haben die Selfies einfach mit den Foto-Automaten an Bahnhöfen und in Einkaufszentren erstellt. Aber wir haben sie auch ausgetauscht. Und wir waren stolz darauf, wenn wir von anderen möglichst viele Selfies vorweisen konnten. „Fame haben“ war also früher schon wichtig. Können Sie sich daran erinnern, dass es auch wichtig war, volle Freundschaftsalben zu haben? Dass es später auch wichtig war, irgendwie cool zu sein und dazuzugehören? Das musste ja auch alles inszeniert und medial festgehalten werden.

 

Shift

Wer Jugendlichen mit Verständnis und Offenheit begegnet, wird Folgendes feststellen:

  • Jugendliche sind nicht so fit wie wir denken. Viele Basics der Mediennutzung beherrschen sie nicht. Auch bezüglich Medienkritik sind sie oft schlecht ausgestattet.
  • Für Jugendliche sind digitale Medien so selbstverständlich wie das Wasser aus der Röhre. Die Fragen, die wir Erwachsenen manchmal haben, haben sie nicht.
  • Sie nehmen extrem viele Nachteile der digitalen Medien einfach in Kauf.
  • Konvergenz ist real, aber teils schmal.
  • Die Art der Mediennutzung hängt ganz stark vom elterlichen Milieu ab.
  • „Den“ jugendlichen Mediennutzer als ein Typus gibt es nicht.
  • Die meisten Jugendlichen sind Auseinandersetzungs-Faul
  • Die Jugendlichen haben genug von „Medienprävention“

 

… was könnte „Medien entdecken“ heissen?

Mit einem Blick auf solche Beobachtungen sind wir herausgefordert! Können wir den Jugendlichen in Sachen Medien etwas Attraktives anbieten? Medien entdecken bedeutet für Jugendliche wohl etwas Neues. Dieses Neue gilt es zu suchen.

Anhand der bisherigen Beobachtungen in der Medienarbeit mit Jugendlichen kann man annehmen, dass folgendes funktionieren könnte:

  • Gurus“, die in Sachen Medien viel drauf haben
  • Orte des Austauschs für Szenen, beispielsweise die Minecraft-Szene
  • Das Neueste wie 3D Druck oder eine neue Konsole ausprobieren können
  • Hilfen für neueres kreatives Tun
  • Wirklich neu aufgemachte Medienbetrachtungen

Fazit

In Anbetracht dieser Prämissen wird schnell klar: Beliebige Medienkurse werden wohl keinen Erfolg bringen. Die an die Jugendlichen gerichteten Angebote bedürfen der Berücksichtigung eines neuen Medien-Selbstverständnisses. Solche Angebote kann nur erbringen, wer sich auch auf diese Realitäten einlassen will und kann. Damit wird klar: Ein Schlüssel für den angestrebten Wandel und attraktive Medienorte sind die Mitarbeiterinnen der Bibliotheken. Es bedarf der Haltung: „Wir wollen euch nicht mit bekannten Präventionssätzen langweilen, wir wollen die aktuelle Medienkultur ernst nehmen und Extras anbieten, dort, wo wir Medienexperten sind oder wo wir Medienexperten vermitteln können. Und wenn wir noch was Kritisches machen wollen, so versprechen wir spannende Heranführung, Überraschung und echt neues Wissen.“

 

(Dieser Text entstand als Beitrag zur Weiterbildung „Veranstaltung Jugendbibliothek“ vom 10. Juni 2016 der SBD.bibliotheksservice ag)