Soll ich mit den Kindern Squid Game schauen? Kann ich es verbieten? Muss ich etwas erklären?

Die Diskussionen um die Serie laufen weiter heiss. Das ist nicht weiter verwunderlich: Schliesslich können die Eltern, im Unterschied zu einem Game, gut selbst reinschauen. Was man sieht, ist erschütternd. Gleich in der ersten Episode werden etliche Menschen auf brutalste Weise ermordet. Und das nicht im Stil eines durchschnittlichen Actionfilms, sondern im Rahmen eines Kinderspiels. Die Bilder sind brutal und gehen sehr nah. (Mehr zur Serie im Artikel „Der Grosse Hype um Squid Game“).

Wenig pauschale Tipps möglich

Für Eltern ist die Lage äusserst unangenehm. Muss ich was tun? Für welches Alter sind die bisher geäusserten Tipps? Was ist, wenn die Kinder das bei Kolleg:innen sehen?

Tatsächlich muss nach Alter unterschieden werden. Kommt ihr Kind mit Geschichten zu Squid Game aus dem Kindergarten, so müssen Sie wohl Alarm schlagen. Ein Gespräch mit der Kindergartenlehrperson ist angezeigt. 

An der Primarstufe verhält es sich vielleicht schon etwas anders: Es ist möglich, dass einige der Mitschüler:innen das Thema aufgeschnappt haben und damit angeben möchten. Gut möglich, dass Ihr Kind einfach wissen möchte, worum es geht. Ein aufklärendes Gespräch kann helfen. Vielleicht hat Ihr Kind aber auch den Plan, die Serie heimlich zu schauen. Sich zu überlegen, in welchem Alter das Kind ist, kann ein erster Schritt zur Differenzierung bedeuten. 

Was treibt Kinder und Jugendliche an?

Wenn das Thema bei Ihnen im Quartier oder im Familiengespräch aufkommt, so muss auch geprüft werden, weshalb sich das Kind für Squid Game interessiert. Als Eltern müssen wir erkennen, dass die Kinder früher oder später mit Neugierde nach der Serie oder Ausschnitten aus der Serie suchen werden. Es sind ganz unterschiedliche Antriebe, die dazu führen: 

  • Es liegt in der Natur des Aufwachsen, dass sich Kinder für Neues interessieren. Lernen und Entwicklung setzen diese Neugierde geradezu voraus. 
  • Kinder und Jugendliche wollen mitreden können. 
  • Sowohl Kinder als auch Jugendliche haben Phasen, innerhalb derer sie eine gewisse Lust am Grauen empfinden. Sie suchen nach dem Nervenkitzel. Dies trifft sowohl auf Horrorvideos wie auch auf Challenges in Sozialen Netzwerken zu. 
  • Oft spielt die Mutprobe eine wichtige Rolle. Es geht um die Frage, ob das Kind bereit ist, eine gewisse Grenze zu überschreiten und beispielsweise Szenen aus Squid Game anzuschauen.
  • Vielleicht verspürt das Kind auch Verunsicherung oder gar Angst. Die Suche nach Informationen ist die Suche nach Klärung und Beruhigung. 
  • Schliesslich kann die Kenntnis um solche Serieninhalte den Kindern und Jugendlichen als Mittel dienen, um zu Anerkennung zu kommen: „Seht her! Ich habe die brutalen Spiele gesehen!“.

Was ist bei meinem Kind Sache?

Der Hype um Squid Game ist im Spätherbst 2021 sehr gross. Kinder ab dem ersten Schuljahr wurden sehr wahrscheinlich schon einmal damit konfrontiert. Daher lohnt es sich, wenigstens kurz und sachlich nachzufragen: „Wird das bei euch in der Schule diskutiert oder gespielt?“ Wenn Squid Game schon ein Thema ist, sind nüchtern formulierte Folgefragen angezeigt: 

  • Wurde einfach von der Serie erzählt?
  • Hat es viele Kinder, die das Thema einbringen?
  • Werden Spiele aus Squid Game auf dem Pausenplatz gespielt?
  • Weiss die Lehrperson davon?
  • Werden Schiessbewegungen gemacht und Kinder für tot erklärt?
  • Hat es Kinder, welche Angst haben?
  • Hast du manchmal auch Angst?
  • Hat dir jemand erklärt, worum es bei Squid Game geht?
  • etc. 

Gut zu wissen: Das Thema wurde medial sehr gross gemacht. Es ist auch möglich, dass die Schule Ihres Kindes aktuell von entsprechenden Prahlereien oder Spielen verschont ist. 

Das Kind unterstützen

Mit den Antworten auf obige Fragen können Sie sich ein besseres Bild zur Situation machen. Dies erlaubt es, ein eigenes Fazit zu ziehen und dem Kind die passende Unterstützung anzubieten. Nur vier Beispiele für mögliche Szenarien:

  • Allenfalls kommen Sie zum Schluss, dass kein Handlungsbedarf beseht. Sie formulieren einfach Ihre Bedenken. Sie geben dem Kind deutlich zu verstehen, dass es jederzeit mit Fragen kommen kann. 
  • Ihr Kind geht in die 4. Klasse und einige Mitschüler:innen haben Ausschnitte aus Squid Game gesehen. Die Berichte ängstigen Ihr Kind und Sie haben den Eindruck, es steht unter Druck. Bedanken Sie sich bei Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn, dass er oder sie sich Ihnen anvertraut hat. Fragen Sie das Kind, was hilft, die Angst abzubauen. Im Zweifelsfall suchen Sie selber Rat. Und: Suchen Sie mit dem Lehrer, der Lehrerin oder den Schulsozialarbeitenden das Gespräch. Die Verantwortlichen an der Schule sind auf solche Informationen angewiesen. 
  • Vielleicht ist Ihr Kind bereits 14 Jahre alt. Es möchte wissen, wovon alle sprechen. Es besteht die Möglichkeit, das Ihr Sohn oder Ihre Tochter die Serie bei anderen schaut. In diesem Fall könnte eine gemeinsame Sichtung von Serie-Ausschnitten sinnvoll sein. Achten Sie auf die nonverbalen Reaktionen Ihres Kindes. Allenfalls muss abgebrochen werden. Vielleicht vereinbaren Sie auch ein Stop-Zeichen. Wichtig: Schauen Sie sich wenigstens die erste Episode selber an. In der begleitenden Diskussion kann es sowohl um die Faszination wie auch um Grenzen und Grenzverletzungen gehen. 
  • Ihr Kind ist 11 Jahre alt. Es hat auf WhatsApp schon kurze Filmausschnitte erhalten. Es besteht darauf, dass diese Ausschnitte es nicht ängstigen. Es ginge eher um „Erschreck-Spiele“. Erklären Sie Ihrem Kind, weshalb Sie solch brutale Szenen nicht in Ordnung finden. Erklären Sie auch, dass es verboten ist, solche Ausschnitte an andere, insbesondere Kinder, weiterzuleiten. 

Über „Squid Games auf dem Pausenplatz“ werden wir in einem separaten Artikel informieren. 

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