„Ich snap dir!“ Kaum ist die SMS durch WhatsApp abgelöst, schreiben sich immer mehr Kinder und Jugendliche mit Snapchat. Sie senden sich Bilder und Kurzvideos zu, die bald wieder gelöscht sind. Die Beliebtheit ist neuen Effekten zur Veränderung von Gesichtern geschuldet. 

Als wir im November 2014 mit einem ersten Artikel über Snapchat berichteten, war noch nicht klar, ob sich dieser Chat- und Social Media-Dienst dereinst so deutlich durchsetzen wird. Eineinhalb Jahre später hat diese Kommunikationsanwendung bei einigen Kindern und Jugendlichen Instagram bereits in den Schatten gestellt. Von Facebook brauchen wir erst gar nicht mehr zu sprechen. Viel zu kompliziert.

Im Rahmen unserer Arbeit mit Schülerinnen und Schülern der Mittel- und der Oberstufe wird die Verschiebung immer deutlicher. Klar: Man hat erst mal Instagram. Und logisch: An der Sekundarschule haben alle WhatsApp. Immer öfter ist aber zu hören, dass die Kinder oder Jugendlichen einen Snap erhalten hätten.

 

So funktioniert’s

Snapchat kann als App für Android und iOS geladen werden. Hat man sich einmal registriert, kann man einer bekannten Personen Bild oder Videonachrichten zustellen. Immer öfter werden aber auch Textnachrichten versandt und Video-Telefonate geführt. Ebenso ist es möglich, die Bilder oder Kurzvideos über 24h für die Abonnenten seines Profils zu veröffentlichen. Speziell an Snapchat: Die Bild- und Videonachrichten löschen sich spätestens nach 10 Sekunden wieder.

Wer will, kann auch Promis, beziehungsweise deren Geschichten folgen. Listen bekannter Personen finden Sie beispielsweise auf bravo.de oder popsugar.de:

www.bravo.de/so-heissen-die-stars-auf-snapchat-357724.html 

www.popsugar.de/stars/Snapchat-Usernamen-der-Stars-39278743#photo-39278743

 

„Lustiiich“

Bei den Kindern hat die Beliebtheit wohl viel mit der Einfachheit des Mediums sowie den einfachen gestalterischen Möglichkeiten zu tun. Insbesondere die Möglichkeit, Gesichter mit vorgegebenen Effekten zu verändern. So können sie sich oder der Freundin eine Hundeschnauze verpassen. Oder eine Polizei-Uniform überstreifen, die eher an ein SM-Kostüm erinnert. Und besonders lustig: Man kann Gesichter vertauschen! Sitzen zwei Personen nebeneinander, können sie mittels der Funkton Swap-Face die Gesichter vertauschen. Plötzlich hat der Vater mit dem Kind auf dem Schoss das Gesicht der 3 Jährigen. Und die Kleine trägt den Schnurrbart des Vaters. Neu kann man das einzelne Gesicht vor der Kamera auch mit einem Gesicht aus dem Fotoalbum vertauschen. Soll Ihr Gatte mal aussehen wie David Beckham? Mit Snapchat kein Problem. Die Angetraute als Kim Kardashian geht auch.

 

Kreativ?

Bei unseren Gesprächen an den Primarschulen fragen wir die Kinder nach guten Apps für die Bildbearbeitung. Immer öfter wird Snapchat genannt. „Da kann man hineinzeichnen und reinschreiben!“ Tatsächlich könnten die Bilder mittels handgezeichneter Linien verziert werden. Ausserdem können Benutzer auf einem leicht transparenten, grauen Balken einen kurzen Text vor das Bild legen.

Lassen Sie sich nicht täuschen. Snapchat ist nicht per se kreativ. Und für die Bildbearbeitung ist die App schlicht unbrauchbar.

 

Neu und schrill?

Jugendliche nutzen diese Kommunikations-App wohl gerne, weil sie noch weitgehend frei von Eltern und anderen Erwachsenen scheint. Es ist eine Möglichkeit, sich gegenüber „den Alten“ auf Facebook und Instagram abzugrenzen. Die Art der Kommunikation ist brutal schnell, kurzlebig und in ihrer sehr simplen, popeligen Art irgendwie schrill.

In diesem Sinne nimmt Snapchat sicher etwas von der Lebenswelt Jugendlicher auf: Permanent in Veränderung, rasant, heftig, intensiv, farbig und hart. Snapchat funktioniert wie eine Gruppe Gleichaltriger: Man muss ständig präsent sein, darf nichts verpassen und muss um Aufmerksamkeit kämpfen. Mehr Aktivität wird von Snapchat denn auch mit Pokalen belohnt.

 

Subito wieder gelöscht?

Gerne wird behauptet, die Löschautomatik hätte Vorteile. Es wird weniger gespeichert und man kann es eher wagen, mal einen ungünstigen Selfie zu posten. Unsere Beobachtungen zeigen, dass sowohl Kindern als Jugendlichen selbst noch nicht ganz klar sind, was davon zu halten ist. Viele vermissen die Möglichkeit eines länger haltbaren Postings. So sind auf Instagram aktuell sehr viele Snap-Selfies mit Hundenasen oder Blumenkränzchen zu sehen. Einzelne Kinder und Jugendliche haben Schiss, sowas auch nur für 3 Sekunden einer Freundin anzuzeigen. Schliesslich gibt es auch schon Apps, die der Empfängerin helfen, die Snaps dauerhaft zu speichern. Wieder andere möchten auf alte Informationen zurückgreifen können. Sie haben die Fotoalben voller Screenshots aus Snapchat. Man darf auf jeden Fall gespannt sein, wie sich Snapchat und dessen Nutzung weiter entwickelt.

 

Aspekte des Kinder- und Jugendmedienschutzes

Sicherheitseinstellungen auf Snapchat? Sicheres Verhalten? Grundsätzlich gelten bei der Nutzung von Snapchat die selben Regeln wie bei anderen Chat- oder Social Media-Diensten:

  • Sich nur von Freunden direkt kontaktieren lassen. Die anderen müssen erst eine Freundschaftsanfrage stellen.
  • Vorsicht mit Anfragen von Personen, die man nicht kennt. Wirklich nichts Privates ausplaudern. Keine Informationen über Familie, Hobbys, Kollegen, etc.
  • Meine Story dürfen nur meine Freunde ansehen.
  • Nur posten, was man auch den Eltern zeigen würde. (Gilt auch für Erwachsene)
  • Vor dem Fotografieren fragen.
  • Wer das Konto löschen will, muss in den Einstellungen unter Support Fragen: „Delete Account“.

 

Literaturtipp:

Steuer P. (2016): Snap me if you can, Ein Buch für alle die Snapchat endlich verstehen wollen.

www.snapmeifyoucan.net