Derzeit spricht alle Welt über die „Pornographisierung“ von Kindheit und Jugend. Panikmache schadet den Kindern. Ein Artikel der New York Times gibt gute Denkanstösse.
Können Sie sich an die alten Diskussionen um Sexhefte (Praline?), Bravo und Sexkinos erinnern? Sex, Pornographie und Jugend, diese Verbindung kann mit Recht als Dauerbrenner betrachtet werden. Neuen Auftrieb erhielt das Thema mit der Verbreitung des Internets und mit der zunehmend mobilen Ausrüstung bei Kindern und Jugendlichen. Wenn ein Kind auf seinem iPod touch mit iTube Musik hört, so ist es mit Werbung für pornographische Seiten konfrontiert. Die gratis Kinofilme sind auf movie4k.to letztendlich auch nur gegen Werbung für erotische Chatdienste zu haben.
Die Projuventute fordert mit ihrer aktuellen Kampagne die Eltern heraus, mehr Offenheit zu zeigen und das Gespräch mit den Kindern zu wagen.
Gerade letzteres tut not. Und vor allem das unaufgeregte Gespräch! Von Kindern ist in der Regel zu vernehmen, dass die Eltern meist bloss Ermahungen oder Drohungen „absetzen“. „Wenn du Pornos guckst kommt die Polizei!“ „Wenn ich dich erwische, so hast du dein Handy für die nächsten Jahre gesehen.“ „Pornos sind ganz schlecht. Wir haben sowas auch nicht nötig.“
Solches setzt Kinder und Jugendliche unter gewaltigen Druck und führt nicht selten zu grossen Ängsten. Daher denken wir, dass eine seriöse Auseinandersetzung nottut. Schliesslich hat Pornographie für Jugendliche auch Gutes bereit. Lesen Sie dazu unseren Artikel „Ist Pornographiekonsum schädlich?“ vom 15. Januar 2014.
Wir fordern das unaufgeregte Gespräch mit Kindern und Jugendlichen. Die Information muss über den Schrecken hinausgehen. Ein Beispiel? Verkürzt müsste den Kindern an der Primarschule Folgendes mitgegeben werden:
„Schau, du darfst ab heute auf dem iPad spielen. Vielleicht wirst du auch mal ins Internet gehen oder Musik hören. Bei all diesen Anwendungen kommst du nun voran in eine neue Welt. Das Internet ist wie ein Fenster, dass dir auch zeigt, was Erwachsene interessiert, wie Erwachsene leben und handeln. Damit du vorbereitet bist, gehen wir zusammen mal hin und besprechen, was da anzutreffen ist. Mach beispielsweise mal die Gratis-App iTube auf. … Jetzt hören wir hier mal ein paar Musikstüke und sehen, dass gleich Werbung kommt. Werbung für Pornos…. Ja! … Nein, … das ist nicht schlimm. Aber stört es dich? … Kein Problem! Wir können es so machen, dass wir die kostenpflichtige App kaufen. Dann ist die Werbung weg. Ja? … Ok? … Zurück zu den Werbungen für Pornographie. Also: Da geht es ja um Sex, und Sex ist etwas, das den Erwachsenen oft viel Freude macht. Und das ist voll in Ordnung. Und eigentlich ist es auch in Ordnung, wenn Erwachsene einen schönen Frauen- oder Männerkörper gerne anschauen. Diese Vielfallt von Frauen und Männern ist schön. …“
Erklären Sie Ihrem Kind Im Verlaufe des weiteren Gespräches, dass es ok ist, wenn es auch mal Schwierigkeiten gibt. Und dass es immer zu den Eltern kommen kann. Ein unaufgeregtes Verhalten wird garantiert! Zudem machen Sie dem Kind klar, dass es sich auch ohne „Schimpfis“ an eine andere erwachsene Vertrauensperson oder eine Fachstelle wenden kann. Für den Fall, dass das Gespräch mit den Eltern zu schwierig ist. Irgendwann geht es dann noch um die rechtlichen Grenzen … klar.
Nicht bloss „pfui“ sagen! Aus Liebe zum Kind sollten Eltern Zeit aufwenden und genau sein. Auch wenn von Risiken gesprochen wird. Es könnte tatsächlich sein, dass Jugendliche die oft Pornos gucken bei sexuellen Aktivitäten weniger Befriedigung erfahren. Es könnte tatsächlich sein, dass in der Jugend oder der Adoleszenz bereits eine Pornographiesucht entsteht. Es könnte auch sein, dass man über pornographische Angebote viel Geld verliert. Und es kann sein, dass sich Kinder mit dem Versand von pornographischem Material strafbar machen. Es kann sein, dass Kinder Filme erhalten, die sie als unangenehm erleben. Dass aber immer gleich die Polizei kommt oder eine Traumatisierung fast zwingend ist, ist schlicht und einfach gelogen.
Wer nur „pfui“ und „böse“ sagt, riskiert genauso, dass das Kind eine Störung hervorbringt. Dass mit Pornographie und Sex nur Schuldgefühle einhergehen kann nicht das Ziel sein.
The New York Times vom 14. April 2014 spricht sich für einen differenzierten Umgang mit dem Thema aus ohne zu verharmlosen. Lesen sie den Artiel unter:
http://www.nytimes.com/2014/03/29/sunday-review/does-porn-hurt-children.html?_r=1
Der Schluss des Artikels trifft hier frei übersetzt auf den Punkt: Einig ist man sich vor allem darin, dass man die Kinder nicht unvorbereitet aufs Internet loslässt. Das wäre wie wenn man dem Kind den Autoschlüssel überlassen würde. Mit der Bemerkung: Hier, geh und lerne fahren.
Natürlich machen Sie die Lernfahrten mit ihren Kindern. Tun Sie dies auch am Tablet oder am Computer. Mit der selben Seriosität.
Joachim Zahn