Täglich wird prophezeit, wie wichtig die digitalen Medien für die Zukunft sind. Anscheinend so wichtig, dass die Kinder am besten schon im Kindergarten programmieren lernen. Auf der anderen Seite sind die teils gravierenden Nachteile dieser Technologien täglich spürbar. Keine einfache Ausgangslage für die Medienerziehung. 

Können Sie sich noch an die grossen Versprechen erinnern? Das Internet bringt uns eine bessere Welt! Wissen für alle! Endlich werden wir die Probleme dieser Zeit lösen. Nur: Es weist alles darauf hin, dass dieses Wissen weder gelesen noch genutzt wird. Viele nutzen das weltumspannende Netz primär zur Unterhaltung.

Versprochen wurde eine Demokratisierung der Welt. Stattdessen haben wir „Die Faktenkrise“1 was der Meinungsbildung für demokratische Prozesse nur abträglich ist. Digitalisierungstreiber tragen massiv zur Ungleichheit bei.

 

Widersprüche

Ob wir uns aktiv mit solchen Diskrepanzen befassen oder nicht: Viele Eltern empfinden ein grosses Unbehagen. Schliesslich durchdringt dieser Diskurs auch unseren Alltag. „Wir zünden die digitale Rakete“ wird Bundesrätin Doris Leuthard im Blick am Abend zitiert2. „Stadt Bern will allen Schülern ein Pad schenken“ titelt die Gratiszeitung 20 Minuten3.

Aber dann lesen wir im Elternmagazin „Fritz und Fränzi“, dass ob der verbreiteten Handy- und Tablet-Nutzung immer mehr Kinder an Kurzsichtigkeit (Myopie) leiden. „Digital Native: Generation Kurzsichtig?“ Kinder vertrauen uns an, dass sie auf dem Schul-Tablet endlich à discretion Serien gucken können. Auf „börning series“ wohl verstanden. Erotikwerbung inklusive. Schliesslich hält Jean Luc Cachelin fest, dass die Volldigitalisierten „das Gespür für die Aussenwelt, das Mitgefühl und das Interesse für die Meinungen der anderen verlieren“. Das können wir für unsere Kinder nicht wollen.

 

Familien werden gestresst

Ganz abgesehen von solch umfassenden Betrachtungen: Viele Familien erleben auch einfach, wie viel Stress mit den digitalen Geräten in den Alltag kommt. Festzuhalten, wie viele Chancen diese Geräte auch bringen würden, bringt da wenig.

Die meisten Kinder können mit den durchdachten und geschickt angelegten Versuchungen der Game- und Unterhaltungsindustrie nicht umgehen. Das bringt entweder einen jahrelangen Kampf um Kontrolle oder ein schlechtes Gewissen weil man’s nicht hinkriegt und gewisse Potentiale beim Kind nicht entwickelt werden.

 

Aber darf man überhaupt kritisch sein?

Wer die derzeitigen Entwicklungen kritisiert, wird gerne als altmodisch, als Kulturpessimist oder als „bloss verunsicherter digital immigrant“ abgestempelt. Eine aufgeklärte Gesellschaft verlangt jedoch die kritische Auseinandersetzung mit Fragen zur Digitalisierung und zu den Auswirkungen auf die Kinder. Lesen Sie kritische Texte. Diskutieren Sie über die Nachteile, welche sich für die Kinder ergeben. Davon profitiert der Nachwuchs ganz direkt: Eltern, die sich kritisch und sachlich mit den Medien befassen, bieten Kindern und Jugendlichen sehr gute Begleitung.

 

Kritisch ist konstruktiv!

Der Diskurs und die kritische Sichtweise müssen ja keinesfalls heissen, dass man all die Geräte und Dienste von Apple, Google, Samsung, Facebook & Co. gar nicht nutzen darf. Vielmehr geht es darum, uns und die Kinder vor den Nachteilen derselben zu schützen. Und hierfür ist das in der Lektüre und in der Diskussion erworbene Wissen unumgänglich. Wer sich aktiv mit den Schattenseiten von Algorithmen und den Auswirkungen von Social Media auf das Gehirn oder die Gesundheit befasst, kann Kinder an der Hand nehmen, aufklären, schützen und befähigen. Egal ob es nun ums Googeln, um Instagram, Snapchat oder Games geht.

  1. Tagesanzeiger vom 21. Dezember 2016, Fiona Endres über die Schwierigkeit, verlässliche Informationen zu finden []
  2. Blick am Abend vom 21. November 2017. BR Doris Leuthard anlässlich ihrer Rede zum „Digitaltag“, einem von der Schweizer Wirtschaft proklamierten Thementag für einen offeneren Umgang mit neuen Technologien. []
  3. 20 Minuten vom 8. März 2017. []