Chatten gehört heute zum allgemeinen Repertoire der Kommunikationsformen. Kinder und Jugendliche müssen es irgendwann lernen. Doch das geht in den wenigsten Fällen ohne Störungen. Warum? Und: Was kann man tun?
Lebenstraining
Kinder beobachten bekanntlich alles. Auch wenn uns das bei unseren Verhaltensweisen zuweilen nicht nur gefällt. Sie beobachten was gemacht wird und wie’s gemacht wird. Und sie ahmen das Beobachtete nach. Speziell wenn es von Gleichaltrigen oder leicht älteren Jugendlichen gemacht wird. So bereiten sich Kinder auf die anstehenden Herausforderungen des Lebens vor. Dieses Verhalten betrifft natürlich auch das Chatten. Sie sehen, dass das alle tun und wollen oder müssen es nachahmen.
Chatten gelingt Kindern nicht
Damit ein schneller Austausch von kurzen Textbotschaften konstruktiv verläuft, müssen die Kommunizierenden viel Sprach-, Schreib-, Lese-, Kommunikations-, Sozial- und Selbstkompetenz einbringen. Chatten verlangt also viel Reife. Diese ist bei Primarschülern noch nicht gegeben. Sie können bestenfalls mit dem Chatten-Lernen beginnen. Wir Eltern müssen aber zwingend damit rechnen, dass dabei noch vieles schiefgeht. Missverständnisse, verbale Entgleisungen sowie Verletzungen sind häufige Erscheinungen.
Vermischungen
Während der Primarschule werden Beziehungen zu Gleichaltrigen extrem wichtig. Vor allem müssen die Kinder immer genauer herausfinden, wie sie zueinander stehen. Vieles wird im Quartier, im Verein oder auf dem Pausenplatz geklärt. Es ist ganz normal, dass die Kinder dazu auch die zeitgemässen Kommunikationsmittel nutzen, wie Erwachsene auch. So trifft eine neue Kommunikationsform mit neuen sozialen Herausforderungen zusammen. Es ist nur logisch, dass das Schwierigkeiten gibt: Streit, Übertreibungen und Mobbing. Die meisten Kinder wollen solches in einer mehr oder weniger ausgeprägten Form einmal ausprobieren. Ausserdem: Diese Vorgänge unter Freunden beanspruchen viel Aufmerksamkeit. Es muss auch mit viel Ablenkung durch Tablet und Smartphone gerechnet werden.
Schutz?
Auch wenn Verbote nicht in jedem Fall sinnvoll sind, ist doch zu empfehlen, das Kind über eine Alterslimite zu schützen. Schön wäre, wenn sich die Eltern in der Schweiz darauf einigen könnten, dass man erst ab dem 4. Schuljahr chatten darf. Es wäre sinnvoll. Je mehr Eltern da mitmachen, umso besser.
Ab dem 4. oder 5. Schuljahr muss dem Kind zum Schutz schliesslich erklärt werden, was alles schieflaufen kann. Beispielsweise, dass es nicht überrascht sein darf, wenn es in Chats beleidigt oder angefeindet wird. Auf der anderen Seite natürlich auch, dass es im Chat gegen andere für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten wirklich bestraft werden kann.
Schützend wirkt auch, wenn das Kind immer wieder ermutigt wird, bei Schwierigkeiten schnell Hilfe zu holen. Dabei muss erklärt werden, dass bei Schwierigkeiten auch nicht gleich das Handy entzogen wird.
Schliesslich verlangt es unsere elterliche Aufmerksamkeit und den Mut einzugreifen. Bei Verdacht auf Probleme dürfen wir nicht einfach zuwarten. Kinder müssen aktiv angesprochen werden. Fragen Sie unaufgeregt nach, was Sache ist.
Befähigung
Wie bereits erwähnt: Chatten muss man lernen. Eltern haben hierzu einfach mehr Erfahrung und in vielen Fällen auch mehr Wissen. Folgendes könnten Sie dem Kind vermitteln:
- Sie können dem Kind immer wieder erklären, dass andere auch einfach mal ausprobieren wollen, wie es ist, wenn man im Chat jemanden beleidigt. Es muss dazu erklärt werden, dass ein Widersprechen bei Vorwürfen oder Anfeindungen immer als Bestätigung und Aufforderung zum Weitermachen verstanden wird. Kinder brauchen zwar lange, bis sie das auch umsetzen können und bei solchen Vorfällen nicht mehr reagieren. Doch früh übt sich.
- Sie können dem Kind in Beispielen darlegen, dass es beim Chatten auch schnell zu Missverständnissen kommen kann. Die erste Regel lautet daher: Komplizierte Dinge kann man ohnehin nicht im Chat besprechen. Vieles bespricht man besser direkt.
- Und weil das mit den Gefühlen im Chat auch ganz schwierig ist, dürfen unangenehme Themen nie schriftlich kommuniziert werden. Das steht sogar im Schweizer Knigge.
- Werden die Kinder grösser, kann man vielleicht auch erklären, dass es eben viel Einfühlungsvermögen und Wohlwollen braucht, um konstruktiv zu chatten. Nur wer verstehen kann, dass der andere vielleicht wirklich keine Zeit hat, kann es gelassen nehmen, wenn lange keine Antwort kommt.
Begleitung. Wirklich!
Schliesslich kann man die obigen Themen nicht bloss einmal erzählen und gut ist. Wenn wir dem Kind an der Mittelstufe ein Handy oder Tablet überlassen, so bedarf es des regelmässigen Nachfragens.
- Welche Chat-Programme nutzt ihr zur Zeit?
- Bietet dieser Chat auch neue Filter, Gadgets oder so?
- Was macht besonders Spass?
- Was macht nicht so Spass?
- Kommen da auch Kettenbriefe? Werbung? Kostenfallen?
- Habt ihr Klassenchats?
- Was gibt es da für Gruppen?
- Über welche Themen tauscht ihr euch so aus?
- Was für Fotos und Videos werden da ausgetauscht?
- etc.
Bei Unsicherheiten können wir als Eltern weiter nachfragen, um das Problem genauer zu umreissen. Vielleicht können wir auch eine Erklärung oder Hilfestellung anbieten. Und vielleicht geht auch alles einfach gut. Aber das will ich als Vater oder Mutter natürlich wissen.