Das BSV veröffentlichte im Juni 2015 eine Broschüre zur Standortbestimmung in sozialpädagogischen Einrichtungen. Wie stehen wir bezüglich Medienbildung, Jugendmedienschutz und entsprechenden Konzepten da? Das unter „Jugend und Medien“ produzierte Papier gibt Anleitung für eine kurze Situationsanalyse.

 

„Institutionen“ unter Druck

Sozialpädagogische Einrichtungen wollen ihre Klienten zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben befähigen. Dazu gehört auch die Befähigung zur sinnvollen Nutzung digitaler Kommunikationstechnologien. Keine Medienkompetenz, keine Teilhabe.

Die letzten Jahre konnten viele Heime, Schulen und Therapiestationen die Nutzung digitaler Medien noch verbieten. Das geht nicht mehr. Die Nutzung von Chat- und Social-Media-Diensten ist so selbstverständlich geworden, dass sie zu den verfassungsrechtlich garantierten Grundrechten gehören. Entsprechend müssen die bisherigen Strategien und Handlungsweisen überprüft und vielerorts angepasst werden.

 

Herausforderung im Feld

Wer in sozialpädagogischen Einrichtungen oder sonderpädagogischen Settings tätig ist, weiss um die vielen Herausforderungen welche sich aus obigem Postulat ergeben. Schliesslich trägt man eine Hohe Verantwortung für die Sicherheit der anvertrauten Kinder und Jugendlichen. Und wie die Praxis immer wieder zeigt, zeichnen sich viele Klienten und Klientinnen durch eine erhöhte Vulnerabilität aus. Im Netz lassen sich Beeinträchtigungen kaschieren. Viele Betroffen sind kognitiv oder in ihrer Impulskontrolle eingeschränkt. Und nicht zuletzt sind viele Mitarbeitende im Feld der Sozial- oder Heilpädagogik gegenüber digitalen Medien extrem kritisch eingestellt. In der Folge sind auch viele für eine adäquate Begleitung der Klienten nicht ausgerüstet.

 

Standortbestimmung

Hier setzt die erwähnte Broschüre ein. „Förderung von Medienkompetenzen in Institutionen für Kinder und Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen“ lautet deren umständlicher Titel. Der Untertitel ist aussagekräftiger: „Leitfaden zur Standortbestimmung“. So ist die Broschüre auch aufgebaut. Praktisch jedes Kapitel beginnt mit einer Einführung zu einem relevanten Begriff oder einer Relevanten Fragestellung rund um die Förderung der Medienkompetenzen in den angesprochenen Institutionen. Und in jedem Kapitel folgt ein Fragebogen zur Standortbestimmung im Bezug auf das angerissene Thema. Befragt werden:

  • Kompetenzen und Haltungen der Mitarbeitenden
  • Art der Begleitung der Kinder und Jugendlichen
  • Institutionskultur und Haltung
  • Infrastruktur und Konzept Medienbildung

Die Ergebnisse aus den einzelnen Formularen können in einer Übersicht zusammengetragen werden. Aufgrund dieses Zusammenzuges lassen sich, je nach Deutlichkeit der Ergebnisse, entsprechende Handlungsschwerpunkte ableiten.

 

Hinweise zur Umsetzung

zischtig.ch hat die Umsetzung bereits mit rund 30 Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen getestet. Mit der Befragung der persönlichen Haltung und der eigenen Kompetenzen zu beginnen, hat sich durchaus bewährt. In den Tests liessen sich auch deutliche Tendenzen für Handlungsschwerpunkte erkennen. Aufgrund der ersten Erfahrungen ist das Instrument durchaus zu empfehlen.

Die Praxis hat aber auch gezeigt, dass der Prozess dieser Standortbestimmung gut begleitet werden muss. Allenfalls ist gar eine interne oder externe Fachperson beizuziehen. Denn:

  • Die Broschüre operiert mit Begriffen, die in der Sozialpädagogik nicht für alle verständlich sind.
  • Die Punkte-Wertungen sind nicht für alle lesbar.
  • In der Broschüre wird eine liberale Haltung punktemässig deutlich besser bewertet. Entsprechend kommt es bei Mitarbeitenden zu Irritationen oder Verweigerungen.

 

Nur wenig Hinweise für die konkrete Praxis

Die Broschüre bietet eine gute Basis für die Standortbestimmung in der Institution. Das 20 Seiten starke Heft kann auf Jugend und Medien gratis bezogen werden:

http://www.jugendundmedien.ch/de/bestellung-publikationen.html

Für die Arbeit mit Teams kann es als sinnvoll betrachtet werden, dass die Schrift nicht zu umfangreich ausfällt. Für die Verantwortlichen bleiben jedoch viele Fragen offen. Wie sich bei meinen regelmässigen Seminaren zur Medienpädagogik in der Sozialpädagogik oder der Kindererziehung zeigt, gibt es bei den Verantwortlichen der besprochenen Organisationen viele Fragen, die mit dieser Broschüre weder angesprochen noch geklärt sind. Wie ist das mit dem WLAN auf der Gruppe? Was können wir mit den Klienten konkret tun um deren Medienkompetenz zu fördern? Wie können wir die Mitarbeitenden für einen professionellen Umgang mit Fragen zur Mediennutzung gewinnen?