Bibliotheken setzen traditionell auf „Medienwissen“ und „Medienkritik“. Wo bleiben Mediennutzung und Mediengestaltung? Eine Chance für Neues!

Medienarbeit mit Kindern und Jugendlichen wird gerne als bewahrpädagogisches Projekt angesehen. Es erstaunt nicht sonderlich, dass Erwachsene gerne über Risiken sprechen und vorwiegend Medienkritik lehren. Zeitgemässe Medienbildung ist weiter zu verstehen. Fachkräfte der Medienpädagogik verweisen meist auf Modelle, die aus dem Bielefelder Medienkompetenzmodell nach Baacke entwickelt wurden. Dieses geht von vier Grundkompetenzen aus:

  • Medienwissen
  • Mediennutzung
  • Medienkritik
  • Mediengestaltung

Wenn Bibliotheken in der Medienbildung mitwirken wollen, so macht es sich bezahlt, diese Konzeption zu verstehen und als Orientierungsrahmen einsetzen zu können.

 

Medienwissen

Medienwissen heisst, dass ich die aktuellen Technologien bedienen kann. Gerade bei älteren Bibliothekarinnen beobachte ich solche, die denken, sie hätten da den Zug verpasst. Andere haben das Gefühl, sie seien doch voll fit. Vielleicht liegen beide falsch. Die Verunsicherten haben noch nicht gemerkt, dass sie eigentlich schon viel drauf haben und dass heute eh keiner mehr den vollen Durchblick hat. Die „Sicheren“ gehen irrtümlich davon aus, dass es reiche, wenn man Facebook und Whatsapp bedienen könne. Gutes Medienwissen liegt also dazwischen. Es entsteht, wenn wir einfach neugierig sind, wenn wir uns beispielsweise für die Funktionen einer Digitalkamera interessieren. Was kann ich tun, wenn ich das Funktionen-Rad auf „A“ stelle? (Nein, das ist nicht die Automatik.) Medienwissen heisst aber auch, dass ich auf einem gängigen CMS (Content-Management-System) mitarbeiten kann. Das gehört zum grundlegenden Medienwissen. Schliesslich müssen wir aber auch wissen, wie wir mit Störungen umgehen können. Denn: Alles Medienwissen nützt nichts, wenn wir uns bei Störungen aus dem Konzept bringen lassen.

 

Mediennutzung

Nach dem Medienwissen kommt die „Medien-Nutzung“. Es geht darum, dass ich die Medien für mein Weiterkommen nutzen kann. Dass ich also „einen konkreten Nutzen“ schaffen kann. Es geht nicht ums Brauchen, sondern die persönliche Erarbeitung von Mehrwert. Ich kann mich beispielsweise mit neuen Kreisen und Szenen verbinden. Das schafft soziales Kapital. Ich kann das Internet für die effektive und zielgerichtete Erweiterung und die Organisation meines Wissens nutzen. Schliesslich ist es mir auch möglich, mich gekonnt in Szene zu setzen. So habe ich zum sozialen allenfalls auch einen wirtschaftlichen Nutzen.

 

Medienkritik

Medienwissen und Mediennutzung ergänzen sich um den Kompetenzbereich der Medienkritik. Hierbei geht es jetzt eben nicht darum, Facebook einfach doof zu finden. Es geht mehr darum, hinter den Mainstream zu sehen und zu verstehen, dass beispielsweise Google nicht nur nett ist. Die Google-Suche ist zwar bequem, gibt dem auf Gewinn getrimmten Unternehmen aber unnötig viel Macht. Medienkritik heisst, diese Prozesse zu verstehen und alternative Handlungsweisen zu entwickeln. Beispielsweise ist es möglich, alternative Suchdienste einzusetzen.
Medienkritik heisst vielleicht auch, zu erkennen, dass Information nicht einfach gratis sein kann. Gute, unabhängige Information hat ihren Preis. Wer nur 20 Minuten liest, ist falsch informiert. Wir sind hier also auch an ethischen Fragen. Ist es ok, alles gratis zu wollen? Wie weit machen wir uns mit „alles gratis“ auch schuldig? Ist die neue Krise in der Arbeitswelt hausgemacht? Das einfach zwei Beispiele, die natürlich weiter gedacht werden müssen.

 

Mediengestaltung

Mediengestaltung hat zwei Aspekte: Den Ästhetischen und jenen der „Innovation“. Mediengestaltung heisst nämlich auch, dass wir neue Anwendungen schaffen. Damit sind nicht unbedingt neue Programmierungen gemeint. Viel mehr geht es darum, dass wir die digitalen Medien für unsere „Zwecke“ missbrauchen können. Ein Beispiel: Jugendliche haben begriffen, dass man Instagram auch als Publikationsraum für eigene Romane nutzen kann. Wer sich Mühe gibt, bekommt hier viele gute Feedbacks und in diesem Sinne eine Starthilfe für eine Schreiber-Karriere. Damit ist das am Bild orientierte Instagram zwar missbraucht. Aber es ist eben auch Innovation geschaffen.

 

„Medienbildung dank Instagram“

Ich hoffe, dass bereits klar wurde, wie „einfach“ das mit der Medienkompetenz eigentlich ist. Mit jeder Chat- oder Social Media Anwendung wird Medienkompetenz berührt. Medienkompetenz gehört in den Alltag, wird dort manifest, kann da gebildet werden. Viele medienpädagogischen Themen lassen sich durchaus über die Auseinandersetzung mit aktuellen Anwendungen umsetzen. Wer so denkt, wird Jugendliche schneller gewinnen und am Aufwand für spezielle Lernumgebungen sparen können. Mit Instagram beispielsweise können Sie alle besprochenen Kompetenzbereiche bearbeiten. Über die App bearbeiten Sie im Bereich des „Medienwissens“ Themen wie Server-Technologie, App-Programmierung und Fotografie, etc. Aber auch bezüglich Mediennutzung könnte man fragen, ob es nicht Möglichkeiten gäbe, einen erweiterten Nutzen zu haben: Vielleicht ist es hilfreich, wenn mir zu meinen Texten oder Bildern jemand Feedback gibt. Vielleicht kann ich über eine Instagram-Galerie auch Bilder verkaufen, etc. Gleiches gilt natürlich für die Aspekte Medienkritik und Mediengestaltung.

 

(Dieser Text entstand als Beitrag zur Weiterbildung „Veranstaltung Jugendbibliothek“ vom 10. Juni 2016 der SBD.bibliotheksservice ag)