Eine Publikation der Stiftung Netzwerk Chance zeigt: Mit Angeboten, die von Netzwerken lokaler Anbieter entwickelt und veranstaltet werden, lassen sich auch jene Erziehenden ansprechen, die bei Elternabenden eher durch Abwesenheit auffallen. Der gut lesbare Projektbericht gibt konkrete Handlungsempfehlungen und bietet weitere Hinweise für eine gelingende Bildungsarbeit mit Eltern.

 

Eine grössere Anlage

Mit Unterstützung des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugendliche (BMSFJ) hat die Stiftung Digitale Chancen das Projekt „Lokale Medienkompetenz-Netzwerke für Familien“ durchgeführt. Mit diesem Grossprojekt sollte insbesondere festgestellt werden, wie sich die Zusammenarbeit verschiedener Organisationen auf Akquise, Zielerreichung und Nachhaltigkeit  von Vorhaben zur Elternbildung rund um die Medienerziehung auswirken. Nach einer Evaluation sollten neben Empfehlungen für die Praxis auch konkrete Good-Practice-Beispiele vorliegen. Gearbeitet wurde mit Netzwerken in Berlin, Betzdorf (Rheinland-Pfalz), Dresden, Hamburg und Schwerin. In diesen Städten oder in ausgewählten Stadtteilen haben sich Organisationen der staatlichen oder in Vereinen organisierten Familien- und Kinderförderung sowie Fachorganisationen der Medienkompetenz zu Netzwerken zusammengeschlossen. Das Ziel war es, „insbesondere schwer erreichbare Familien mit hohem Unterstützungsbedarf für ihre Angebote zu gewinnen“. Nach der Evaluation dieser Arbeiten und Erfahrungen aus den Jahren 2013 und 2014 wurden die „Handlungsempfehlungen für lokale Netzwerke zur Unterstützung der Medienerziehung in Familien“ verfasst.

 

Zentrale Erkenntnisse zur Zielgruppenerreichung

Die Lektüre erwähnter Publikation ist allen in der Elternbildung tätigen Personen zu empfehlen. Sie liest sich gut und gibt wichtige Hinweise für die entsprechende Aktivierungs- und Bildungsarbeit. Das 35 Seiten starke Heft kann gar als hilfreiche Checkliste genutzt werden. An dieser Stelle geben wir eine vereinfachte Auswahl zentraler Erkenntnisse wieder:

  • In allen Projekten ist es gelungen, mehr Personen als sonst anzusprechen. Eine koordinierte und längerfristige Zusammenarbeit lokaler Akteure macht sich also bezahlt.
  • Der effektivste Weg Teilnehmende zu gewinnen, ist die persönliche Ansprache derselben durch vertraute Personen.
  • Es kann davon ausgegangen werden, dass mehr Erziehende teilnehmen, wenn die Veranstaltungen in bekannten Lokalitäten stattfinden.
  • Es macht sich zudem bezahlt, eine gewisse Hartnäckigkeit an den Tag zu legen. Bei regelmässigen Veranstaltungen und wiederholter Werbung kommen auch schwer erreichbare Personen.

Im Rahmen der qualitativen Analyse wurde nochmals deutlich, wie wichtig es ist, „auf die konkreten Bedarfe, Anliegen und Probleme der Teilnehmenden einzugehen“ (S. 18). So erhöhen Vorgespräche mit Erziehenden die Wahrscheinlichkeit einer Teilnahme derselben.

 

Erkenntnisse zur Medienerziehung

Während dem Projekt wurden auch die erreichten Eltern befragt. Einmal mehr zeigte sich, dass gewisse Regeln durchaus auch in bildungsferneren Familien bekannt sind. Es wird also auch hier deutlich: Es bedarf aktuell einer Differenzierung der Ziele und Inhalte von Bildungsmassnahmen. Was fällt auf?

  • Die bestehenden Regeln beziehen sich oft auf die Nutzung des Fernsehers. Bezüglich Smartphone und Internet bestehen dagegen Defizite.
  • Die Sensibilisierung bezüglich der Gefahren und Chancen der Mediennutzung ist speziell in schwer erreichbaren Familiensystemen noch ungenügend. Noch  sind eher die Gefahren bekannt. Bezüglich der Chancen besteht dagegen ein extrem grosser Aufholbedarf. Entsprechend ist auch klar, dass die grosse Bedeutung der Medienerziehung in der Familie nicht bewusst ist.
  • Die erreichten Familien geben an, dass sie speziell für einfache Tipps und Regeln dankbar sind.
  • In vielen Systemen „kann es nicht als bestverständlich vorausgesetzt werden, dass die Medienerziehung in den Familien stark genug verankert ist, so dass, wenn beispielsweise Regeln zur Mediennutzung existieren, diese auch durchgesetzt werden. (S. 18)
  • Die wenigsten Eltern sind sich auch ihrer Vorbildfunktion nicht bewusst. Elternbildung sollte also auch die Reflexion des je persönlichen Medienhandelns mit einschliessen.

 

Good-Practice-Beispiele und Checklisten

Die Publikation schliesst mit drei konkreten Beispielen aus der Praxis. So wird beschrieben, wie das Mediencafé in Dresden aufgebaut ist und was bei der Durchführung beachtet werden muss. Ebenfalls wird beschrieben, wie ein offener Elternabend gestaltet sein könnte.

 

Übertragung auf Schweizer Verhältnisse

Die erwähnten Projekte haben inzwischen über die Grenzen Deutschlands zu sprechen gegeben. Der Ansatz der Vernetzung unterschiedlicher Akteure wird denn auch am 3. Nationalen Fachforum Jugendmedienschutz vom 7.9.2015 Gegenstand eines Workshops sein. Fachkräfte sind eingeladen, sich über die Seite www.jugendundmedien.ch anzumelden. Im Rahmen dieser Tagung wird auch ein factsheet erscheinen, welches von der Elternbildung Schweiz erarbeitet wurde. Wir werden dieses zu einem späteren Zeitpunkt an dieser Stelle zugänglich machen.